Worauf zu achten ist
Leistungssteigerungen, die man sich von der Einführung neuer MDE-Lösungen verspricht, werden nicht immer sofort realisiert. Oft sind daran auch die unterliegenden Prozesse im Lager schuld. Darüber hinaus bleiben Effizienzgewinne, die in angrenzenden Abteilungen oder im Backoffice entstehen, häufig unbeachtet. Im folgenden Beitrag zeigen wir, worauf zu achten ist.
von Marc Teuber
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Mobile Datenerfassung: Ungünstige Prozesse verlangsamen die Arbeit 🔗︎
In der Praxis keine Seltenheit: Eine MDE-Lösung wird einfach über bestehende Prozesse „drübergestülpt“. Man erhofft sich dadurch, dass die vorhandenen Defizite automatisch ausgeglichen werden und die Effizienz steigt. Das erweist sich jedoch oft als ein Trugschluss. Die Prozesse sollten deswegen vor der Einführung einer mobilen Datenerfassung analysiert und entsprechend verbessert werden. Dadurch lassen sich Probleme und Enttäuschungen später vermeiden.
Die Ursache dafür, dass die Arbeitsgeschwindigkeit sich nicht ändert oder gefühlt sogar langsamer wird, liegt häufig darin, dass Ineffizienzen in anderen Lagerbereichen die MDE-Technologie ausbremsen. Dabei handelt es sich oft um Prozesse, die über Jahre gewachsen sind. Einige dieser Ineffizienzen werden im folgenden beschrieben.
Formale Annahmen und tägliche Praxis: Wachsende Kluft vergrößert Probleme 🔗︎
Werden Prozesse im Lager und in angrenzenden Bereichen nicht regelmäßig überprüft, führt das zu weiteren Problemen. So wird die Kluft zwischen den Annahmen auf denen offizielle Regeln und Leitlinien basieren und der täglich gelebten Praxis immer größer. Entscheidungsträger im Unternehmen, die für ihre Entscheidungen in der Regel vordergründig offizielle Daten heranziehen, kommen dann häufig zu falschen Schlüssen. Wird beispielsweise der Lagerplatz knapp, geht die Betriebs- bzw. Lagerleitung möglicherweise vorschnell davon aus, dass die Lagerflächen zu klein sind. Beim näheren Hinsehen liegt es jedoch oft an mangelnder Organisation: Es existieren viele veraltete Artikel oder sie werden doppelt vorgehalten. Auch neue oder temporäre Mitarbeiter haben Schwierigkeiten, sich schnell einzuarbeiten, wenn offizielle Leitlinien und Vorgaben nicht der Alltagspraxis entsprechen. Schon aus diesen Gründen lohnt es sich, in die Prozessüberprüfung und -verbesserung mehr zu investieren.
Das Lagerdesign verbessern 🔗︎
Ein häufiger Grund, warum Arbeitsprozesse nach der Einführung einer MDE-Lösung ausgebremst werden, liegt am Lagerdesign, das nicht mehr den aktuellen Anforderungen entspricht.
Lagerorte sorgfältig planen 🔗︎
In der Praxis kommt es oft vor, dass sich provisorische und damit nicht sorgfältig geplante Lagerflächen mit der Zeit zu festen Lagerplätzen entwickeln. Über Monaten und Jahre entstehen so viele Lagerflächen, wo Teile und Artikel doppelt und mehrfach gelagert werden. Andererseits liegen ähnliche Artikel, die oft zusammen nachgefragt werden, weit auseinander. Das erhöht die Fahr- und Laufwege der Picker unter Umständen enorm.
Hierbei kann eine ABC-Analyse hilfreich sein. In diesem Fall werden Waren nach der Häufigkeit ihrer Nachfrage kategorisiert. Die am häufigsten nachgefragten Waren, werden der Kategorie A zugeordnet und vorne griffbereit gelagert.
Lagerflächen innerhalb des Lagers sinnvoll einteilen 🔗︎
Generell lohnt es sich, für Aufgaben, die einen größeren Lagerbestandteil beanspruchen bzw. denen eine wichtige Rolle zukommt, extra Flächen zu schaffen. Das bringt mehr Struktur hinein und erhöht die Übersicht. Beispielsweise sind spezielle Lagerflächen für Retourwaren empfehlenswert. Das gilt gerade für den Versandhandel, weil hier die Rückläuferzahl gewöhnlich relativ hoch ist. Auch Flächen für die Entsorgung von Verpackungen im Lager können sinnvoll sein und die Arbeit beschleunigen. Des Weiteren hilft eine räumliche Trennung des Wareneingangs und -ausgangs die Ursachen für viele Fehler von vorneherein zu beseitigen.
Barcodes effizient einsetzen 🔗︎
Es sollte darauf geachtet werden, dass alle relevanten Regale mit Barcodes ausgestattet sind. Oft ergibt es auch Sinn, Barcodes zu nutzen, die eine hohe Informationsdichte begünstigen, sich besser ablesen lassen und besser gegen Beschädigungen geschützt sind. 2D-Barcodes haben hierbei deutliche Vorteile gegenüber von 1D-Barcodes. Jeder Barcode hat seine Vor- und Nachteile. Informieren Sie sich darüber, denn Barcode ist nicht gleich Barcode.
Außerdem sollten alle Regale gelabelt und diese Vorgehensweise konsistent über das gesamte Lager eingehalten werden. Farbliche Markierungen können hier ebenfalls hilfreich sein.
Auf Regale und deren Anordnung im Lager achten 🔗︎
Manchmal sind Regale im Lager nicht optimal auf die Lagerware abgestimmt. Man kommt beispielsweise mit Barcodescannern schwer an die Artikel heran bzw. benötigt Hilfsvorrichtungen wie Leiter und Hebebühnen. Der Scannprozess kann dann unverhältnismäßig viel Zeit beanspruchen. Ein anderes häufiges Problem besteht darin, wenn Regale so beschaffen oder angeordnet sind, dass WLAN-Signale stark gedämpft werden. Findet die Datenübertragung mittels WLAN statt, gelangen die Scanner-Daten dann nicht mehr zeitnah ins ERP-System, sondern erst zum späteren Zeitpunkt, wenn die Verbindung wieder hergestellt ist. Eine echtzeitgetreue Datenübertragung findet somit nicht mehr statt.
Mobile Datenerfassung spielt ihre Stärken beim Zone Picking aus 🔗︎
Im Falle eines größeren Lagers ist es sinnvoll, die Implementierung eines Zone Picking Systems (Zonenkommissionierung) in Betracht zu ziehen. Hierbei werden Pickern bestimmten Lagerflächen zugewiesen und sie arbeiten demzufolge nur dort und müssen nicht mehr durch das ganze Lager laufen. Die Picker machen sich dadurch mit den Artikeln und deren Lagerorten in Ihrem Zuständigkeitsbereich vertraut. So können sie ihre Arbeitsgeschwindigkeit steigern. Weil die Laufwege relativ kurz sind, kann auch in deutlich kürzeren Zeitabständen gescannt werden. Somit kann eine MDE-Lösung ihre Stärken hier bestmöglich ausspielen und die Arbeitsgeschwindigkeit nochmals deutlich steigern. Das Gesamtlager profitiert davon natürlich nur dann, wenn die Arbeitsprozesse in anderen Zonen ebenfalls reibungslos laufen.
Inadäquate Lagerauslastung 🔗︎
Des Weiteren kann eine zu hohe Lagerauslastung die Vorteile der mobilen Datenerfassung abschwächen. Wenn die Lagerauslastung über 80 Prozent klettert, bedeutet das oft, dass viel Zeit verloren geht, um nach freien Lagerplätzen zu suchen. Hier lohnt es sich die Lagerkapazitäten zu erweitern oder sie zu verschlanken, indem man überflüssige und veraltete Artikel ausmustert.
Prozessbrüche durch manuelle Arbeit 🔗︎
Auch Prozesse die noch stark händisch erledigt werden, können die mobile Datenerfassung verlangsamen. Ein Beispiel dafür ist, wenn eine Waage im Lager oder Versand die Daten nicht direkt ans ERP-System sendet, sondern Mitarbeiter die Gewichtsdaten zuerst manuell eintippen müssen. Ein anderes Beispiel sind Bestellungen, die per Fax oder Telefon entgegengenommen werden. Auch hier verlangsamen sich die Prozesse im Vergleich dazu, wenn Bestellungen direkt ins ERP-System übermittelt und von da aus automatisch an das Lager weitergeleitet werden.
Unpassende Lagerfahrzeuge 🔗︎
Manchmal bremsen auch Lagerfahrzeuge die Arbeitsprozesse aus. Beispielsweise benötigt man, um einen Artikel ein- oder auszulagern, zwei oder mehr unterschiedliche Fahrzeuge bzw. ein Teil des Prozesses muss manuell erledigt werden. Das erhöht den Zeitaufwand. In anderen Fällen sind die Flurförderfahrzeuge zu langsam oder sie sind nicht für die schmalen und verwinkelten Wege im Lager geeignet. Hier verpuffen die Vorteile, die durch die schnelle Datenübermittlung entstehen.
Die größten Vorteile werden oft zuerst woanders realisiert 🔗︎
Selbst dann, wenn sich die Arbeitsgeschwindigkeit im Lager zunächst scheinbar nicht verändert, können oft Zugewinne in anderen Bereichen des Unternehmens realisiert werden. Deswegen ist es wichtig, über das Lager hinauszuschauen, um ein ganzheitliches Bild zu erhalten. Falls eine Fertigung an das Lager angebunden ist, bekommt sie die Teile, die sie zum Produzieren benötigt, jetzt womöglich schneller und fehlerfreier. Auch stehen der Fertigung jetzt möglicherweise wichtige Informationen über Engpässe früher zur Verfügung. So kann frühzeitig gegengesteuert werden.
Fernerhin können Daten über fehlende Artikel schneller an die zuständigen Lieferanten übermittelt und dadurch die Lieferzeiten verkürzt werden. Moderne Logistikstrategien wie der Just-in-Time-Ansatz lassen sich somit ebenfalls umsetzen. Darüber hinaus sinkt auch die Gefahr, dass der Einkauf nicht mehr aktuelle Teile bestellt bzw. sie doppelt bestellt. Schließlich profitiert der Verkauf bzw. Vertrieb davon ebenfalls, weil Lieferzeiten verkürzt und Falschlieferungen reduziert werden. Das führt zu mehr Kundenzufriedenheit bzw. -loyalität, denn Kunden hassen nichts mehr als lange Lieferzeiten und Falschlieferungen. Außerdem wird auch der Kundenservice entlastet.
So bereiten Sie sich für eine Diskussion mit MDE-Anbietern vor 🔗︎
Fachkundige externe MDE-Dienstleister können ein Unternehmen bei der Planung und Implementierung einer MDE-Lösung nur so gut unterstützen, wie die Informationen, die sie bekommen, vollständig und aktuell sind. Deswegen sollte man sich mit der Thematik bereits im Vorfeld auseinandersetzen und Vorbereitungen treffen, bevor man mit entsprechenden MDE-Anbietern ins Gespräch kommt. Wichtige Lagerprozesse sollten dabei zumindest grob beschrieben und die Lagerbestandteile aufgeführt werden. Ebenfalls sollten Abläufe und Prozesse in unmittelbar angrenzenden Abteilungen wie beispielsweise in der Fertigung oder im Versand eventuell berücksichtigt werden. Vor allem dann, wenn sie eine größere Auswirkung auf die Lagerprozesse haben könnten. Fernerhin sollte auch sichergestellt werden, dass alle Kollegen intern die gleiche Sprache sprechen. Das erleichtert später die Einarbeitung. Es lohnt sich auch Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren, ihren Blick trotz anfänglicher Schwierigkeiten auf das große Ganze zu richten (erfahren Sie mehr, weshalb sich die Kommissionierung durch eine MDE-Lösung verlangsamen kann). So kann der langfristige MDE-Projekterfolg wirksam unterstützt werden.
Außerdem ist es sinnvoll, sich bereits frühzeitig Gedanken über ein Lastenheft zu machen. Dabei handelt es sich um ein Dokument, in dem die Anforderungen aus Kundensicht systematisch beschrieben werden. Das gibt dem Ganzen einen Rahmen, stellt sicher, dass alle vom Gleichen reden und schafft somit auch eine einheitliche Basis, um unterschiedliche Angebote der MDE-Anbieter sachgerecht zu vergleichen.
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